Sein Roman „Eine Straße in Moskau“ war genauso eine Entdeckung wie der Name des vergessenen Autors: Michail Ossorgin – eine literarische Sensation. Seine Bücher könnten alle den Titel tragen: Zeugen der Zeit. Allesamt sind es stilistische Meisterwerke in der Tradition der russischen Klassiker. Ossorgin betrachtet die Menschenschicksale in den Wirren der Geschichte mit liebevollem und unbestechlichem Blick – Täter wie Opfer.

Unser neuer Roman „Zeugen der Zeit“ umfasst zwei Bücher, „Zeuge der Geschichte“ (1932) und „Buch vom Ende“ (1935), die nun erstmals ins Deutsche übertragen vorliegen. Sie gehen dem russischen Revolutionsgeschehen von 1917, das „Eine Straße in Moskau“ (Andere Bibliothek, Band 367) beschreibt, voraus.

Dieser Doppelroman erzählt in dramatischen Szenen und Bildern aus dem Leben der Natascha Kalymowa, die während der russischen Aufstände von 1905 in Moskau und Petersburg zur fanatischen Revolutionärin wird und sich zusammen mit ihren Gesinnungsgenossen dem Terrorismus verschreibt. 
Nach einem Bombenanschlag auf das Wohnhaus des Premierministers wird sie zum Tode verurteilt. Ihr gelingt die Flucht, die sie um die halbe Welt führt – über Sibirien, die Mongolei und die Wüste Gobi, die sie als einzige Frau im Gefolge einer Handelskarawane durchquert  –  und sinnbildlich zu einem Weg der Läuterung wird. Sie geht ins Exil, zunächst nach Paris, dann nach Italien. Dort lernt Iwan kennen, mit dem sie zwei Töchter bekommt, doch ihre Träume von der Rückkehr nach Russland erfüllen sich nicht. 
Neben den vielen anderen Menschen, mit denen sich ihre Wege kreuzen, begegnet ihr auch immer wieder ein Pope, Vater Jakow, ein Chronist der russischen Geschichte und auf andere Weise ebenfalls ein Zeuge der Zeit.

Ursula Keller, die für ihre Übersetzung von „Eine Straße in Moskau“ für den Preis der Leipziger Buchmesse 2016 nominiert war, hat auch „Zeugen der Zeit“ aus dem Russischen übersetzt und mit zahlreichen Anmerkungen und einem Nachwort versehen, unter Mitarbeit von Natalja Sharandak.

"Zeugen der Zeit" wurde auf die SWR-Bestenliste im Februar 2017 gewählt.