Zur politischen Theologie jüdischer Intellektueller

Nicht wenige intellektuelle Juden priesen vor 1933, zur Hochzeit der „Assimilation“, die Kraft zur Unterscheidung, den Willen zur Abgrenzung und den Mut zu ethnischer Differenz als die eigentliche „moralische Leistung“ des Judentums. Jude sei man, wie der Religionsphilosoph Franz Rosenzweig dekretierte, als Sohn oder Tochter einer jüdischen Mutter, eben durch „das Blut“. Und einer der bedeutendsten jüdischen Gelehrten des 20. Jahrhunderts, Gershom Scholem, weigerte sich, seine Nichte zu adoptieren, weil sie der Verbindung ihres im KZ ermordeten Vaters mit einer Nichtjüdin entstammte. Das sind nur zwei unter vielen wie nebenher eingestreuten Provokationen, die der FAZ-Redakteur Lorenz Jäger in seinem Buch über die „politische Theologie jüdischer Intellektueller“ für den ebenso miefigen wie „hilflosen Philosemitismus“ hierzulande im Köcher hat. Die schmale, ideenreiche Schrift enthält Stoff für Dutzende Forschungsprojekte, für die aber kein deutscher Soziologe oder Historiker je einen Antrag formulieren würde, gleichgültig, ob es sich um die Aufhellung der Rolle von Juden am mittelalterlichen Sklavenhandel oder die Dominanz jüdischer Investoren im US-Porno-Geschäft handelt. In dieser Häufung brisanter Fragen liegt freilich auch die Schwäche des bunten Werkes, das sich aus Jägers FAZ-Artikeln speist, die sich kaum in die Klammer „politische Theologie“ zwingen lassen.