»Telefonat mit einem ernsthaften, leicht deprimierten Christen: Die Zeiten seien schrecklich. Ich widerspreche. Im Gegenteil, für Pessimisten seien sie wunderbar, schon weil der Zeitenlauf die eigene Position, wonach alles noch schlimmer würde, ständig ins Recht setze. Zudem bestätige sich die alte Erkenntnis, dass man nur mit Pessimisten intelligent lachen könne. Optimisten bräuchten weder Witz noch Humor, um die Realität zu ertragen; sie glaubten voll unduldsamen Eifers an den goldenen Morgen, an den Neuen Menschen, das Paradies, den ewigen Frieden und den Endsieg. Da sei amüsierte Distanz zu sich selbst nur hinderlich. Weder Lenin noch Mao oder Hitler zeigten irgendeinen Witz, auch die meisten anderen Linken würden erst im Alter klug, zynisch und erträglich; davor seien sie fast immer nervende Besserwisser. Ob Jesus Humor hatte, ob er über sich und die Welt lachen konnte, sei die schwierigste Frage. Schweigen, dann die melancholische Antwort: Wie bei uns allen – vermutlich erst am Kreuz.«

Nicolaus Fest, geboren 1962, ist aufgewachsen in Hamburg und Frankfurt. Studium der Rechtswissenschaften und Ausflug in den Kunsthandel. Später Eintritt in die Welt des Journalismus. Zunächst Station bei Gruner + Jahr, 2001 erfolgte der Wechsel zum Axel-Springer-Verlag. Dort Mitglied der Chefredaktion von Bild, später stellvertretender Chefredakteur der Bild am Sonntag. Seit der Trennung im Jahr 2014 als Berater und freier Publizist tätig. Mit seinem Netzlogbuch aus den Jahren 2014-2016 legt er ein angriffslustiges politisches Stundenbuch vor, das niemanden schont und dabei immer auf den vergangenen Höhen der Kunst bleibt.