Auch seine letzte Monographie Moral und Hypermoral sah Gehlen in der direkten Nachfolge seines anthropologischen Hauptwerkes Der Mensch. Insofern verstand er seinen Entwurf einer "pluralistischen Ethik" als Konkretisierung seiner Lehre vom Menschen.

In diesem Buch, das eine "Genealogie der Moralen" entwickeln will, stellte sich Gehlen die Aufgabe, Anthropologie, Verhaltensforschung und Soziologie so zu verbinden, daß vier voneinander nicht ableitbare Ethosformen empirisch freigelegt werden könnten: von einem aus der „Gegenseitigkeit" entwickelten Ethos über "Eudaimonismus" und "Humanitarismus" bis hin zu einem Ethos der Institutionen einschließlich des Staates.

Gehlen wollte der "abstrakten Ethik der Aufklärung" widersprechen. Systematisch geht es in erster Linie um eine anthropologische Begründung der Ethik, d.h. um eine "Mehrheit moralischer Instanzen" und "Sozial-Regulationen".

Manche Moralen können als instinktnah angenommen werden, andere ergeben sich aus den Notwendigkeiten bestimmter Institutionen. Immer jedoch sind sie kulturell geformt und zugleich auf unterschiedlichen Ebenen der Abstraktion angesiedelt.

Das Buch gehört in den Zusammenhang einer philosophisch-soziologischen Grundlagenforschung, wie sie seit Max Scheler und Helmuth Plessner als Philosophische Anthropologie durchgeführt wurde.