Sophie Liebnitz hatte recht, als sie gegen den Titel "Halbmondsüchtig" Einwände erhob: Er deckt den Inhalt ihres Buches nicht vollständig ab. Es geht in ihm bei weitem nicht nur um Orientbegeisterung. Aber bitte: Ist das nicht ein schönes Wort, halbmondsüchtig? Eben!

Zum ganzen Inhalt: Sophie Liebnitz, die bisher bei Antaios mit drei Essays zum Gedeihen der Reihe Kaplaken beitrug, beschäftigt sich mit der fatalen Weltoffenheit der Europäer. Diese Weltoffenheit ist eines der Kennzeichen unseres Erdteils: die überbordende Neugier, die Lust, das Neue zu entdecken, es kennenzulernen und aufzusaugen, es sich - so drückte es Goethe aus - "anzuverwandeln".

Aber die Kehrseite, die fatale Kehrseite: Aus der Fernstenbegeisterung und Fernstenliebe ist eine Selbstvergessenheit geworden, die längst in eine Selbstverachtung gekippt ist. Aus dem, was Europa einzigartig machte, ist die Gefährdung der Substanz geworden. Liebnitz untersucht das anhand literarischer, politischer und kulturhistorischer Beispiele und zeigt, wie früh der Keim für die Xenomanie, die wahnhafte, wahnwitzige Fixierung auf das bessere Fremde gelegt wurde.