Was treibt eine Gesellschaft dazu an, sich selbst und ihre gesamte geschichtliche Kultur zu verleugnen?

Mit derart grundsätzlichen Fragen im Kontext muslimischer Immigration nach Europa beginnt der Philosoph Rudolf Brandner seine mentalitätsgeschichtlich ausgerichteten Überlegungen.

Gleich der Auftakt veranschaulicht in virtuoser Manier den fundamentalen kulturellen Gegensatz zwischen westlicher und islamischer Welt: Das Lachen wie auch die dabei entlarvende Lächerlichkeit mit ihrer reinigenden, befreienden Erkenntnislust erscheinen dem gottesfürchtigen Islam völlig wesensfremd. Seine auf Ausschließlichkeit beruhende Heilsoffenbarung - die dem aufgeklärten modernen Individuum gespensterhaft begegnet - ist nun einmal nicht kompatibel mit der säkularen Lebenswelt des Westens.

 Doch dem Autor geht es weniger um den Islam an sich - schon gar nicht im Widerstreit mit einem christlichen Europa - als vielmehr um die desaströse geschichtliche Verfassung europäischen Selbstverständnisses. Die Angst vor dem heiligen Zorn religiös motivierten Beleidigtseins erweist sich dabei nur als das Symptom einer fortdauernden westlichen Verfallsgeschichte.

In seinem Essay appelliert Rudolf Brandner deshalb an die Bereitschaft zur Selbsterneuerung, statt auf einen Sinneswandel der europäischen Muslime zu hoffen. Dem universalistisch getrimmten Moralismus als posttheologischem Surrogat muß – so Brandner – eine sich bejahend selbstaufklärende Erkenntniskultur entgegengehalten werden – zur Wiedererlangung der europäischen Selbstachtung.